Gutenberg im Kreuzfeuer: wie barrierefrei ist der neue WordPress-Editor wirklich?

Auf dem letzten öffentlichen Meeting des internationalen WordPress Accessibility Teams am Montag, den 22.10.2018 wäre es beinahe zum Eklat gekommen. Auf der Agenda standen unter anderem:

“4. Communication plan for the Gutenberg accessibility feedback
5. Accessibility feedback on Gutenberg: be kind, open, transparent, professional”

Es ging also um die Umgehensweise mit dem neu entwickelten Editor Gutenberg, und dessen vorhandene oder nicht vorhandene Barrierefreiheit, die ja schon länger in der Öffentlichkeit thematisiert wird.

Dabei gerieten eine Vertreterin der User mit assistiven Technologien und ein Mitglied des Gutenberg Developer Teams heftig aneinander. Die Verteterin der gehandicappten Fraktion traf folgende Aussage  über das aktuelle Gutenberg -Release:

” I think that may be part of what is missing from all of this, referencing Joe‘s post about how individual parts of Gutenberg are great, but it’s the overall experience that causes significant issues.”

Ich übersetze wörtlich: “Ich denke, das ist einer der fehlenden Teile,bezüglich Joe’s Beitrag darüber, dass individuelle Teile von Gutenberg großartig sind, aber es ist die allgemeine Bedienbarkeit, die einen signifikanten Problemkreis dastellt”

Sie bezog sich dabei auf die letzten Tests, bei denen die mangelnde Tastaturbedienbarkeit einer der grossen Diskussionspunkte war.

Der Gutenberg-Entwickler argumentierte dagegen:

“Just a small note about Gutenberg accessibility VS classic editor. I don’t think it makes sense to compare how these two relates. Gutenberg is meant for the whole site editing (even if it’s not at the moment) which means it’s the customizer + editor + menus + widgets at the same time. So yes, it’s by definition more complex that’s why we can’t compare these two directly. We need to think about the whole picture”

Ich übersetze wörtlich:

“Nur eine Randnotiz über die Barrierefreiheit von Gutenberg gegenüber dem klassischen Editor. Ich glaube es macht keinen Sinn, diese beiden einem direkten Vergleich zu unterstellen. Gutenberg ist dafür gedacht, eine ganze Webseite zu editieren (auch wenn er es im Moment noch nicht tut), das heißt er ist der Customizer+Editor+Menüs+Widgets gleichzeitig. Also ja, er ist nach Definition komplexer (als der klassische Editor, Anm.d.Ü.), deswegen können wir die beiden nicht direkt miteinander vergleichen. Wir müssen an das gesamte Bild denken.”

In der darauf folgenden Debatte blieb der Gutenberg- Entwickler bei seinem Standpunkt, man könnte hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, während die Vertreterin der User mit assistiven Technologien den Standpunkt vertrat, dass ein Vergleich zwischen dem klassischen Editor und Gutenberg nicht nur erlaubt, sondern essentiell notwendig sei.

Dabei argumentierte sie, dass Gutenberg den klassischen Editor ersetzen wird, und deswegen auch als Editor für Beiträge und Seiten in WordPress gewertet werden muss, egal was er sonst noch können sollte. Und als Beitrags-Editor ist Gutenberg nach dem jetzigen Stand der Dinge in Sachen Barrierefreihet noch meilenweit von WCAG-Standards entfernt, da eine durchgängige Tastaturbedienbarkeit nicht gegeben ist.

Die Debatte wurde nach einem kontroversen Schlagabtausch ohne Konsens durch den Diskussionsleiter beendet.

Meine persönliche Meinung dazu: warum soll Gutenberg in Zukunft als eierlegende Wollmilchsau fungieren und nicht nur das Editieren von Beiträgen, sondern auch die Umkonstruktion der gesamten Webseite erlauben? Ich halte das für blanken Unsinn, schließlich wollen meine Redakteure und Mitarbeiter einfach ihre Blog-Beiträge schreiben können, und sollen und wollen gar nicht in die Site-Architektur eingreifen. Der Schuß wird meiner Meinung nach nach hinten losgehen, denn wenn es jedem erlaubt wird, im Editor Menüs umzubauen, Widgets nach Belieben einzusetzen und im Customizer das Design der ganzen Site zu verändern, dann ist das Chaos vorprogrammiert.

Man kann gespannt sein, was die nächsten Accessibility Tests von Gutenberg ergeben – ich bin skeptisch. Man hätte bei der Neuentwicklung des Editors (auf Basis von React.js) von Anfang an die Barrierefreiheit mit berücksichtigen müssen. Sie jetzt nachträglich irgendwie aufzupfropfen kann eigentlich nur in die Hosen gehen. Ich bin schon sehr neugierig, wie sich die Debatte weiter entwickelt. Das nächste Accessibilty Team Meeting ist an diesem Freitag, ich werde teilnehmen und Bericht erstatten!

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